Niemand lebt aus Spaß auf der Straße
Die wohl extremste Form der Armut ist die Obdachlosigkeit. Das Deutsche Jugendinstitut schätzt, dass es in Deutschland 37 000 Straßenjugendliche gibt, also ohne festen Wohnsitz. Wie reagieren wir, wenn wir ihnen auf der Straße begegnen, wenn wir Obdachlose irgendwo sitzen sehen. Seien wir ehrlich, die meisten von uns schauen weg und gehen weiter.
In Das Mädchen in unserem Badezimmer tut Amras Mutter genau das nicht, sondern bietet der 17-jährigen Coco an, bei ihnen zu duschen. Als Coco wieder geht, bleibt ihr Tagebuch zurück.
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Die Autoren Hitzbleck & Wacker haben ihre Recherche bei Streetworkern, Hilfsorganisationen und einer Vermisstenstelle zum Thema Straßenjugendliche geschickt in die Handlung einfließen lassen. Tagebuchpassagen, Amras Ich-Erzählerstimme, (fiktive) Interviews und Chatprotokolle ergänzen sich im Wechsel. Auf dem Cover die bunte, freundliche Welt eines alltäglichen Badezimmers, doch schaut man hinter die Wohlstandsgesellschaftsfassade, zwischen die absolut stimmig harten Pappdeckel, zeigt die Welt ihre zwei Seiten in hartem Schwarz-Weiß-Kontrast. Kerstin Wackers an Holzschnitte erinnernde Grafiken akzentuieren in ihrer Kantigkeit die Klassentrennung, die Straßenkinder und auch erwachsene Wohnsitzlose erleben. Ein im Selbstverlag erschienenes Buch, das Veröffentlichungen aus großen Verlagshäusern ebenbürtig ist.
Maren Partzsch
(mehr dazu im Eselsohr 12/2022, S. 25)